Kampf gegen die „leise Pandemie“ Schwerhörigkeit

Kampf gegen die „leise Pandemie“ Schwerhörigkeit

Das hat sie bei einem Besuch der Tübinger Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Montag (16. November) deutlich gemacht. „Zentrale Zukunftsfragen werden wir nur lösen, wenn wir Wissenschaft und Wirtschaft noch enger zusammenbringen“, sagte Eisenmann. In der Medizin bedeute dies, dass man den Technologie- und Wissenstransfer von der Grundlagenforschung hin zur Patientenversorgung hinbekommen müsse. „Dazu müssen wir durch attraktive Standort- und Rahmenbedingungen im Umfeld unserer Universitäten den Nährboden für Ausgründungen bereiten.“ Wie Transfer von der Forschung zum Produkt in der Medizin gelingen könne, führe derzeit die Entwicklung eines Impfstoffs im Kampf gegen das Corona-Virus vor Augen.

Erst schwerhörig, dann dement?

Eisenmann will den Fokus bei diesem Thema aber nicht auf die Corona-Pandemie verengen, sondern nimmt den Kampf gegen die „leise Pandemie“ der Schwerhörigkeit in den Blick: Im Austausch mit Ärzten und Wissenschaftlern um den Ärztlichen Direktor der HNO-Klinik, Professor Dr. Hubert Löwenheim, wurde berichtet, dass sich die Zahl von aktuell rund 1,6 Millionen Schwerhörigen in Baden-Württemberg bis 2060 verdoppeln könnte. Durch altersbedingten oder anderen Hörverlust leidet nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen und es erhöht sich die Gefahr einer sozialen Isolation. Schwerhörigkeit zieht auch enorme gesundheitliche und gesellschaftliche Folgekosten nach sich. Rechnet man die europaweiten Zahlen in einer Studie der Brunel University zu den wirtschaftlichen Kosten von allen Formen des Hörverlusts auf Baden-Württemberg herunter, summieren sich diese auf knapp 13 Milliarden Euro pro Jahr.

Rund 80 Prozent der Schwerhörigen leiden laut der Tübinger Universitätsklinik für HNO-Heilkunde unter einer sogenannten Schallempfindungsschwerhörigkeit. Bei geringer oder mittelgradiger Schwerhörigkeit kann Patienten durch eine Hörgeräteversorgung, bei hochgradiger Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit durch Cochlea Implantate geholfen werden. Allerdings nutzen demnach leider nur 20 Prozent der Betroffenen Hörgeräte. Die Gründe hierfür seien vor allem die befürchtete Stigmatisierung als Schwerhöriger oder Probleme durch Störgeräusche, etwa in Gruppensituationen.

Bei ihrem Besuch informierte sich Eisenmann bei Professor Dr. Löwenheim und seinem Team über den Stand der Forschung und mögliche Lösungen, die von prothetischen Hilfen über eine Gentherapie bis hin zur Medikamentenentwicklung reichen. Auch besuchte sie den Reha-Bereich. „Was hier auf höchsten Niveau geleistet wird, hat mich wirklich beeindruckt“, sagte die CDU-Spitzenkandidatin. Die Bedeutung der Behandlung von Schwerhörigkeit ist immens. Denn laut Studien verfünffacht sich das Risiko bei einer unbehandelten hochgradigen Schwerhörigkeit, an Demenz zu erkranken.

Stiftungswesen stärker in die Spitzenforschung einbeziehen

Für weitere Fortschritte in der Forschung und Entwicklung auch medizinischer Produkte ist eine auskömmliche Finanzierung nötig. „Wir müssen unsere Anstrengungen auf diesem Feld der Spitzenforschung intensivieren“, sagte Eisenmann hierzu. Dabei gehe es um eine stärkere finanzielle Unterstützung durch Bund und Land. Noch wichtiger sei allerdings, dass Politik weitere Anreize für Investitionen in Forschung und Entwicklung und attraktive Rahmenbedingungen schaffe, so Eisenmann: „Wir müssen Spitzenforschung im Gesundheitssektor größer denken! Warum nehmen wir uns nicht ein Beispiel an den USA, wo die Finanzierung der medizinischen Forschung an Universitäten ganz erheblich auf Stiftungsgeldern beruht?“ Die Ministerin verweist hier auf das Potenzial deutscher Stiftungen, deren Zahl sich in den vergangenen knapp zehn Jahren mehr als verdoppelt habe; allein vergangenes Jahr seien in Deutschland fast 600 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts dazugekommen. „Stiftungen können einen sehr wichtigen Beitrag leisten“, resümiert Eisenmann. „Die Politik muss hier mehr Brücken bauen, den Rahmen schaffen und die Leute zusammenbringen: Dazu muss Spitzenforschung Chefsache werden!“